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1. Emissionen, Sektoren und Klimaschutz

Das gibt es hier zu erfahren

Klimaschutz und Energiewende betreffen in Deutschland in erster Linie fünf Bereiche: Energiewirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude und Industrie. In der öffentlichen Diskussion geht es derzeit vor allem um den Bereich Energiewirtschaft. Zu einem besseren Verständnis dieser Diskussion, wenn es in späteren Lektionen um Emissionen und Klimaschutz geht, ist deshalb die Kenntnis der Grundlagen unseres Energiesystem sehr hilfreich. Aus diesem Grund widmet sich die erste Lektion dem Aufbau, der Funktionsweise und aktuellen Rahmenbedingungen des deutschen Energiesystems.

  • So funktioniert unser Energiesystem
  • Der Energiemix in Deutschland
  • Das energiepolitische Dreieck
  • Speicherung und Übertragung im Stromsystem
  • Ausblick

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Kleine Klimaschule Beitrag 1 (1,1 MiB)

1. Vorab: Hinterfragen von Studien und Nachrichten

Das Internet eröffnet heute die Möglichkeit, sich bei fast allen Themen einen Überblick zu unterschiedlichen Positionen und Meinungen zu verschaffen. Wer rund um den Klimaschutz recherchiert, kann allerdings schnell verzweifeln. Es ist schwer, als Laie die Fülle des Informationsangebots zu bewerten und die richtigen Erkenntnisse zu gewinnen. Wer sich ein eigenes Bild von der Welt machen möchte, sollte den Versuch dennoch unternehmen. Wichtig ist es dabei allerdings, den Gehalt entsprechender Quellen richtig zu bewerten.
Wir beschäftigen uns in der Kleinen Klimaschule zur Unterstützung des Verständnisses mit deutschsprachigen Quellen und Angeboten. Ausgangspunkte für die überwiegende Mehrheit der Informationsangebote, die den Klimaschutz als vordringliche gesellschaftliche Herausforderung darstellen, können z.B. Seiten aus dem Bereich der Wissenschaft wie die Webseiten des Deutschen Klima Konsortiums unter www.deutsches-klima-konsortium.de, der Klima Allianz Deutschland unter www.klima-allianz.de und des Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) e. V. unter www.pik-potsdam.de oder private Angebote wie die Plattform www.klimafakten.de sein. Diese Informationsangebote verweisen auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Themen Klimaschutz, Folgen des Klimawandels und damit verbundenen Fragestellungen oder interpretieren diese. All diese Angebote sind vom grundlegenden Ansatz des menschgemachten (anthropogenen) Klimawandels als Ursache der Veränderungen im Klima der letzten rund 150 Jahre gekennzeichnet.
Ausgangspunkte für konträre Argumente, die eine skeptische Position zum menschgemachten Klimawandel einnehmen, können die Angebote des Europäischen Instituts für Klima & Energie (EIKE) unter www.eike-klima-energie.eu oder private Angebote wie der Blog www.klimanotizen.de sein.
Es hilft beim Erkenntnisgewinn, sich alle Positionen anzuschauen und die Informationsangebote bezüglich erwiesener Fakten und wissenschaftlichem Hintergrund zu hinterfragen. Gleichzeitig kann man dabei lernen, durch einen Abgleich von Informationen und Darstellungen unterschiedliche Quellen auf Seriosität und Gehalt zu überprüfen.
Eine solche, gründliche Betrachtung konträrer Positionen kann bei der Bewertung aktueller Veröffentlichungen in den Medien helfen, etwa zu Studien. So findet man nicht selten zu einem Thema bzw. einer Fragestellung Studien mit gegenteiligen Ergebnissen. Das ist nicht selten vom Auftraggeber abhängig, der hinter der Studie steht. Insofern lohnt es immer, die Unabhängigkeit solcher wissenschaftlichen Arbeiten zu hinterfragen. So kann eine Studie zur selben Fragestellung z.B. rund um fossile Energieträger zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen – je nachdem, ob sie von einem Umweltverband oder der betroffenen Industrie in Auftrag gegeben wurde. Fragestellungen und Auswertungen können Studienergebnisse stark beeinflussen. Drei Fallbeispiele sollen zeigen, dass es nicht immer so offensichtlich sein muss.

  • Fallbeispiel 1: So wurde im Frühjahr 2019 durch das renommierte DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem Einfluss von Windparks in Deutschland auf die Insektenpopulation und das Insektensterben befasste. Sie kam zum Ergebnis, dass die jährlich an den Rotorblättern deutscher Windräder getötete Anzahl von Fluginsekten relevant für die Stabilität der Fluginsektenpopulation sein und damit den Artenschutz und die Nahrungskette beeinflussen könnte. Die Studie ermittelte rund 1.200 Milliarden getötete Insekten pro Jahr an deutschen Windparks und berücksichtigte dabei nur Tiere, die sichtbare Rückstände auf den Rotorblättern hinterlassen. Die Studie blieb in den Medien weitgehend unbeachtet, obwohl es sich um eine unabhängige Studie eines seriösen Forschungsinstituts handelt. Der maßgebliche Wissenschaftler hinter dieser Studie, Dr. Franz Trieb, beschäftigt sich vorwiegend mit solarthermischen Kraftwerken. Solaranlagen stehen in Deutschland derzeit deutlich weniger im Fokus als Windkraftanlagen. Hier gibt es auch innerhalb der Forschung und Wirtschaft rund um Erneuerbare Energien den Wettbewerb um finanzielle Mittel. Ein Argument gegen Windräder kann zu einem Argument für Solarenergie werden. Das macht die Studie und deren weitere Erkenntnisse mit Blick auf Artenschutz und Insektensterben nicht weniger wichtig, liefert aber eventuell Einblicke in die Motivation des oder der Macher. So könnte in diesem Fall eine Problematik bei der Windkraft zu einer besseren Berücksichtigung und Förderung von Solarkraftwerken in Deutschland führen, was wiederum mit einer stärkeren Förderung entsprechender Wissenschaftseinrichtungen einhergehen könnte – wie z.B. dem Stuttgarter DLR-Institut, das sich intensiv mit dem Potenzial großer solarthermischer Anlagen in Wüstenregionen auseinandergesetzt hat. Aktuell wird ein einstiges Megaprojekt im Bereich der Solarenergie wieder stärker diskutiert, zu dem genau dieses Institut forschte: eine Internetsuche nach „Desertec“ liefert spannende Einblicke zu diesem Projekt.
  • Fallbeispiel 2: Ein zweites Fallbeispiel macht deutlich, dass von Medien verbreitete Informationen nicht immer den Fakten entsprechen. So veröffentlichte der Deutsche Wetterdienst Ende April 2019 im Rahmen einer Meldung, dass es einen Dürresommer geben könnte, wenn es weiterhin nicht regnet. Es ist allgemein bekannt, dass Wetter ein chaotisches System ist und nur über einen kurzen Zeitraum relativ sichere Vorhersagen möglich sind. Für längere Zeiträume werden deshalb verschiedene Szenarien durchgespielt, wie in diesem Fall. Dass es nach dem trockenen April bei weiterem Ausbleiben von Regen zur Dürre kommen könnte, ist ein solches Szenario. Die Nachrichtenagentur dpa, die die deutsche Medienbranche mit Presseinformationen zu aktuellen Themen versorgt, machte aus dem möglichen Szenario eine reale Warnung des Deutschen Wetterdienstes vor einem Dürresommer 2019. Der Deutsche Wetterdienst wies auf diesen Fehler hin. Kurz darauf korrigierte die Nachrichtenagentur ihre Meldung und informierte die Medien entsprechend. Dennoch hielt sich das Thema auch nach der Korrektur 48 Stunden lang als eine zentrale Botschaft in den deutschen Medien, bis hin zur ARD-Tagesschau, die auch nach der Richtigstellung vermeldete „Wetterdienst warnt vor Dürresommer“. Die Bild titelte „Metereologen sicher! Sahara-Sommer mit Mega-Dürre droht.“ Viele Tageszeitungen und Funkmedien griffen das Thema prominent auf. Die Korrektur wurde ignoriert und auch im Nachgang wurde die falsche Interpretation durch die Medien nicht richtiggestellt. Dieses Beispiel zeigt, wie eine Nachricht ohne wissenschaftliche Substanz sich allein durch die damit verbundene Aufmerksamkeit beim Nutzer in den Medien halten kann. Schlagzeilen sorgen für Quote. Im folgenden Sommer kam es in vielen Regionen Deutschlands dann tatsächlich zum Dürresommer mit Rekordtemperaturen. Der falsche Umgang mit Informationen und der Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung wird durch dieses Fallbeispiel dennoch deutlich.
  • Fallbeispiel 3: Ein weiteres Beispiel macht deutlich, dass Einflüsse und Interessen hinter einer Nachricht manchmal nur schwer zu erkennen sind. Vor den Bundestagswahlen 2019 machte das allseits bekannte YouTube-Video von Rezo zur „Zerstörung der CDU“ Furore. Im Video äußert sich der Influencer Rezo auch zum Klimaschutz und rechnet ab 5:28 Minuten Laufzeit des Videos mit der Klimapolitik der etablierten Parteien, vor allem mit der CDU, ab. Dabei verweist er auf viele wissenschaftliche Quellen. Wer diese Quellen tatsächlich prüft, wird schnell feststellen, dass sie einseitig ausgewählt wurden und nur eine Meinung zum Thema widerspiegeln. In anderen Themenbereichen ist das ebenso. Letztendlich knapp 17 Millionen Klicks (Stand Frühjahr 2020) haben 1,2 Mio. Nutzer einen Daumen hoch gegeben. Das bedeutet, fast jeder zehnte Nutzer hat den Argumenten zugestimmt – das zeigt, wie schnell eine Nachricht Meinung machen kann, ohne dass sie auf ausgewogenen Quellen und Fakten beruhen muss. So sind einige Äußerungen leicht und schnell zu widerlegen. Es war auch das erste politische Video des YouTubers zu diesen Themen und taktisch klug vor dem Wahlwochenende zu Europa- und Kommunalwahlen platziert. Das Geschäftsmodell hinter dem YouTube-Kanal von Rezo läuft über ein Unternehmen der Ströer Media, ein international agierendes Unternehmen im Bereich der Online- und Außenwerbung, das u.a. den Webvideopreis veranstaltet, zu dessen Preisträgern 2018 auch Rezo zählte. Inwieweit ein Unternehmen, das mit Video- und Außenwerbung für diverse andere Unternehmen und auch politische Institutionen sein Geld verdient, ein Interesse an der „Zerstörung der CDU“ haben kann, bleibt sicher spekulativ. Dass die Aufmerksamkeit dieses Rezo-Videos einem Unternehmen für Video- und Onlinewerbung für Aufträge aus der Politik und der Wirtschaft geholfen hat, steht sicher außer Frage. Es ist nicht zuletzt eine Demonstration von Leistungsfähigkeit des Online-Werbeanbieters, Botschaften viral mit enormer Reichweite platzieren zu können. Viele Videos werden durch Mechanismen unterstützt, die eine spätere virale Verbreitung deutlich beschleunigen und verstärken können. Hier lohnt es sich, den Absender einer Botschaft oder einer Meinung genau zu recherchieren – viele Influencer arbeiten inzwischen für Unternehmen der Social Media-Branche, die mit dem Transport von Meinungen und Botschaften im Sinne ihrer Auftraggeber aus Wirtschaft oder Politik ihr Geld verdienen.

Die Fallbeispiele sollen verdeutlichen, dass es sich immer lohnt, einen Blick hinter die jeweilige Nachricht oder transportierte Meinung zu werfen. In den Bereichen Klimaschutz und Energiewende können sie beispielsweise durch Auftraggeber aus dem Lobbybereich etwa von der Industrie über die Bergbaugewerkschaft bis hin zu NGOs wie Greenpeace beeinflusst sein, zum anderen sollte man gerade bei wissenschaftlichen Untersuchungen die Motivation der Macher oder deren Auftraggeber hinterfragen. Einrichtungen in der Wissenschaft sind in der Regel stark abhängig von finanziellen Mitteln zu bestimmten Forschungsthemen entweder für öffentliche Auftraggeber oder für die Wirtschaft. Ein Wissenschaftler, der Themen rund um Erneuerbare Energien bearbeitet, wird ganz sicher andere Erkenntnisse propagieren als ein Wissenschaftler, der sich mit fossilen Kraftwerken auseinandersetzt. Noch wichtiger ist die Prüfung der Quellen auf Seriosität, in dem man z.B. nach weiteren Veröffentlichungen oder Meinungen zu diesen Quellen sucht, seien es nun Wissenschaftler, Institute oder Webseiten.
In wichtigen Fällen holt man sich, wie bei Gesundheitsthemen beim Arzt, eine zweite Meinung ein – beim Klimaschutz hilft es der Meinungsbildung sicher ebenso, einen genauen Blick auf die meist vielfältigen Argumentationen zu werfen.

Zur DLR-Studie: https://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10202/334_read-32941/#/gallery/33841
Zur Falschmeldung Dürresommer: https://meedia.de/2019/04/26/kachelmann-ueber-duerre-warnungen-der-medien-ueber-90-prozent-aller-geschichten-zu-wetter-und-klima-sind-falsch-oder-erfunden/
Zum Rezo-Video: https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ
Zu einer Reaktion auf das Rezo-Video: https://www.youtube.com/watch?v=GX3_mrwqyVs


2. Die Bedeutung von Emissionen und CO2

Das Thema Klimaschutz ist eng mit dem Begriff Emissionen verwoben. In diesem Abschnitt klären wir, was Emissionen sind und warum wir beim Klimaschutz vor allem über CO2-Emissionen sprechen.

Emissionen: Emission stammt vom lateinischen Wort emittere und bedeutet so viel wie herausschicken oder heraussenden. Im Deutschen bezeichnet es den Austrag oder Ausstoß von Teilchen, Stoffen, (Schall)Wellen oder Strahlung in die Umwelt. Das Spektrum an möglichen Emissionen ist also sehr breit, angefangen von natürlichen Prozessen wie beim Entweichen von Sumpfgas über die Verbreitung von Musik per Schallwellen aus einem Lautsprecher oder Funkwellen für Smartphone & Co. bis hin zu Abgasen im Verkehr oder in Gewässer eingeleitete Schadstoffe. Dabei wird grundsätzlich zwischen natürlichen und menschlich verursachten Emissionen unterschieden.

  • Natürliche Emissionen: Pflanzen emittieren Pollen, Vulkane verschiedene Gase wie Schwefeldioxid (SO2), Sümpfe sondern ebenso wie Kühe und andere Pflanzenfresser Methan (CH4) ab, manche Gesteine geben Radioaktivität in die Umwelt ab. Dies sind nur einige Beispiele für natürliche Emissionen.
  • Menschlich verursachte Emissionen: Diese Emissionen werden auch als anthropogen (vom Menschen verursacht) bezeichnet. Seit Jahrzehnten kommt ihnen eine zunehmende Bedeutung beim Umweltschutz zu. Dabei kann es sich um vielfältige Emissionen handeln, wie sie zur Verschmutzung und Versauerung der Meere oder zum Plastikmüll in den Ozeanen führen. Im Klimaschutz werden vor allem CO2-Emissionen diskutiert, die durch Verbrennung fossiler Stoffe entstehen – z.B. in Kohlekraftwerken, in Verbrennungsmotoren im Verkehr oder in Öl- bzw. Gasheizungen in Privathaushalten. Es ist ein wesentliches Ziel des Umweltschutzes, menschlich verursachte Emissionen zu reduzieren oder gänzlich abzustellen.

Der Treibhauseffekt und CO2: Beim Klimaschutz wird vor allem vom Treibhauseffekt und der notwendigen Reduktion des Spurengases CO2 in der Atmosphäre gesprochen. Wir schauen uns genauer an, was CO2 ist und welche Rolle es beim Treibhauseffekt spielt.

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  • Das Spurengas CO2: CO2 ist ein sogenanntes Spurengas. Es ist unsichtbar, geruchlos, ungiftig und kommt in unserer Atmosphäre in sehr geringen Anteilen vor. Sein Anteil wird in „parts per million“ (ppm) gemessen. Das beschreibt also, wie viele Anteile CO2 auf eine Million Anteile aller Stoffe in der Atmosphäre kommen. Aktuell hat CO2 einen Anteil von ca. 400 ppm, auf eine Million Teile in der Atmosphäre kommen also rund 400 Teile CO2. Anders geschrieben, beträgt der Anteil von CO2 in der Atmosphäre 0,04 %. Der Anteil an CO2 hat seit dem Jahr 1750 von 280 ppm auf aktuell ca. 400 ppm zugenommen. Für diese Zunahme wird in den überwiegenden Darstellungen wissenschaftlicher Arbeiten der Einfluss des Menschen als Ursache gesehen. Man geht heute davon aus, dass die menschlich verursachten CO2-Emissionen ca. 3 % der gesamten CO2-Emissionen im Jahresverlauf betragen, die natürlichen liegen bei ca. 97 %. Wie genau der menschlich verursachte Anteil die nachhaltige, also über Jahrzehnte hinweg erfolgte Zunahme des CO2-Anteils in der Atmosphäre beeinflusst, ist heute Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung.
    CO2 ist ein Grundstoff der Photosynthese, bei der Pflanzen CO2 und Wasserstoff mit Hilfe der Energie aus dem Sonnenlicht in Sauerstoff und Stärke umwandeln. Das passiert sowohl bei Pflanzen und Bäumen auf dem Festland als auch bei Algen in den Weltmeeren und Binnengewässern. Die Photosynthese ist der grundlegende Prozess für alles Leben auf der Erde. Nur durch die Photosynthese kann die Energie des Sonnenlichts in chemisch gebundene Energie, also Nährstoffe für Pflanzen, umgewandelt werden. Die Photosynthese produziert die energiereichen Stoffe sowohl für den Stoffwechsel der Pflanzen selbst und stellt gleichzeitig den Sauerstoff für die Atmosphäre bereit. CO2 zählt allerdings ebenso zu den Treibhausgasen, die sich in der Atmosphäre anreichern und für den Treibhauseffekt sorgen.

  • Der Treibhauseffekt: Der Treibhauseffekt soll an dieser Stelle vereinfacht und verständlich erklärt werden. Der natürliche Treibhauseffekt ist ebenso eine wichtige Grundlage für das Leben auf der Erde. Die durchschnittliche Temperatur auf der Erdoberfläche liegt heute bei +15°C, ohne den Treibhauseffekt würde sie bei -18°C liegen. Der Treibhauseffekt funktioniert wie folgt: Die Sonnenstrahlen treffen als kurzwellige Strahlen auf die Erde und dringen fast ungehindert durch die Erdatmosphäre. Wenn die kurzwelligen Strahlen auf die Erde treffen, wird ein Teil aufgenommen (absorbiert) und ein Teil wieder an die Atmosphäre zurückgegeben (reflektiert). Die reflektierten Sonnenstrahlen werden dabei in langwellige Wärmestrahlen umgewandelt, die in der Atmosphäre zum Teil gebunden werden. Teilweise werden sie durch Wolken und Nebel auf die Erde zurückgelenkt, wobei die Erdoberfläche zusätzlich erwärmt wird, teils wird ihre Energie in den Spurengasen der Atmosphäre gebunden und später durch diese freigegeben – auch das sorgt für eine Erwärmung der Erdoberfläche. Ein Teil der Strahlen wird auch wieder aus der Atmosphäre ins Weltall zurückgegeben. Für unsere Betrachtung sind insbesondere die Spurengase in der Erdatmosphäre interessant. Sie lassen die kurzwelligen Strahlen aus dem Weltall relativ ungehindert Richtung Erde passieren, binden aber einen Teil der Energie der von der Erdoberfläche reflektierten langwelligen Strahlung und setzen diese als Wärmeenergie wieder frei. Wasserstoff macht gut zwei Drittel der gesamten Erdatmosphäre aus und hat von allen Treibhausgasen die stärkste Wirkung. Da Wasserstoff rein natürlicher Ursache ist, lässt sich sein Gehalt kaum beeinflussen. Weitere Spurengase sind vergleichsweise wirksamer und deshalb auch bei geringerer Konzentration von Bedeutung für den Treibhauseffekt. Zu ihnen zählen CO2 (Kohlendioxid), CH4 (Methan) und N2O (Stickstoffoxid, auch als Lachgas bezeichnet), die allesamt durch technische Entwicklungen der Menschheit und die Zunahme der Weltbevölkerung vermehrt in die Atmosphäre abgegeben werden. Man bezeichnet dies auch als zusätzlichen anthropogenen (menschlich verursachten) Treibhauseffekt. Die Zunahme dieser als klimarelevant eingestuften Spurengase gestaltet sich wie folgt:

Gas

Quellen

Senken

2016

um 1750

Zunahme 2015 - 2016

CO2

Verbrennung und Zersetzung organischer Substanz, …

Aufnahme durch die Vegetation und die Ozeane

403,3 ±0,1 ppm

~ 278 ppm

3,3 ppm

CH4

Sümpfe, Reisanbau, Lecks bei der Gasförderung, Verbrennung, …

Reaktion mit OH

1853,0 ±1 ppb

~ 722 ppb

9,0 ppb

N2O

Kunstdüngereinsatz, Verbrennung, …

Photolyse in der Stratosphäre

328,9 ±0,1 ppb

~ 270 ppb

0,8 ppb

Datenquelle: WMO Greenhouse Gas Bulletin

  • In der Wissenschaft herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass eine stärkere Konzentration von Spurengasen wie CO2 eine Erwärmung der Erdoberfläche nach sich zieht. In der tabellarischen Übersicht ist zu sehen, dass CO2 (angegeben in parts per million) deutlich stärker als die anderen zwei Spurengase (angegeben in parts per billion) vorkommt und deshalb beim Treibhauseffekt auch als am stärksten klimarelevant betrachtet wird. Dennoch werden die weiteren Treibhausgase immer mit betrachtet und in CO2-Äquivalente umgerechnet. Wenn in Statistiken von Emissionen oder CO2-Emissionen gesprochen wird, sind demnach auch Methan und Lachgas in einer Umrechnung mitberücksichtigt. Zur Vereinfachung sprechen wir deshalb auch in der Kleinen Klimaschule von Emissionen oder CO2-Emissionen.
    Seinen Namen hat der Treibhauseffekt tatsächlich in Anlehnung an Treibhäuser bzw. Gewächshäuser erhalten. Forscher gingen einst davon aus, dass sich das Spurengas CO2 in einer Höhe von etwa sechs Kilometern über der Erdoberfläche in der Atmosphäre ansammelt und eine Schicht bildet, die ähnlich der Glaskuppel eines Treibhauses den Temperaturaustausch unterbindet. Heute weiß man, dass sich CO2 auch aufgrund seines Gewichts in der unteren Atmosphäre anders verteilt, der Erwärmungseffekt komplexere Ursachen hat und mit weiteren Spurengasen interagiert. Ein einfacher Beleg für den Treibhauseffekt ist das Besteigen eines Berges, wobei mit zunehmender Höhe die Lufttemperatur abnimmt. Für den Erwärmungseffekt in Treibhäusern ist hingegen vor allem die Unterbindung des Wärmeaustauschs der Innenluft mit der Umwelt durch die Glashülle verantwortlich – weshalb man dabei inzwischen vom Glashauseffekt spricht. Auch wenn also aktuelle Erkenntnisse bei der Erderwärmung infolge von Spurengasen auf komplexere Zusammenhänge hindeuten, hat sich der Begriff Treibhauseffekt dennoch im Sprachgebrauch eingebürgert und wird sicher auch weiterhin Verwendung finden.
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  • CO2-Emissionen: Die menschlich verursachten CO2-Emissionen machen etwa 3 % der gesamten CO2-Emissionen auf der Welt aus, 97 % sind natürlichen Ursprungs. Sie werden durch die Weltmeere, Vulkane und diverse andere natürliche Vorgänge freigesetzt. Weltweite Statistiken findet man vor allem zu energiebedingten, menschgemachten CO2-Emissionen. Eine aktuelle Statistik (erschienen im Jahr 2019) weist eine Zunahme der weltweiten menschgemachten CO2-Emissionen von ca. 21 Milliarden Tonnen im Jahr 1990 auf ca. 36,6 Milliarden Tonnen im Jahr 2018 aus (Global Carbon Project, Dezember 2019, globalcarbonatlas.org). Seit 2010 hat sich der jährliche Anstieg der Emissionen weltweit zwar etwas verringert, dennoch wird derzeit eine Zunahme der weltweiten Emissionen bis zum Jahr 2050 auf bis zu 43,1 Milliarde Tonnen prognostiziert. Die CO2-Emissionen Deutschlands haben sich dagegen von ca. 1 Milliarde Tonnen im Jahr 1990 auf derzeit unter 800 Millionen Tonnen verringert.
    Bei skeptischen Betrachtungen zum menschgemachten Klimawandel wird oft der geringfügige Anteil menschlich verursachter CO2-Emissionen in der Erdatmosphäre benannt. Ausgehend von der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre von 0,04 % ergibt sich bei einer vereinfachten Rechnung für die menschlich verursachten Emissionen bei deren Anteil von rund 3% an den Gesamtemissionen eine Konzentration von nur 0,0012 %. Dieser geringe Anteil wird von Skeptikern des menschgemachten Klimawandels als effektlos bezeichnet. In vielen wissenschaftlichen Arbeiten u.a. des Weltklimarats IPCC wird hingegen der kumulative Effekt dargestellt – das heißt, dass sich menschgemachte CO2-Emissionen über Jahrzehnte hinweg in der Erdatmosphäre ansammeln und die Konzentration so beständig zunimmt. Hierbei gilt CO2 aufgrund seiner langen Verweildauer in der Atmosphäre als besonders klimawirksam. Die Verweildauer wird von rund 1.000 Jahren (Quelle: Umweltbundesamt) bis zu mehreren tausend Jahren angegeben. Während die 97% der natürlichen Emissionen in einem natürlichen Gleichgewicht stehen, das als globaler Kohlenstoffkreislauf bezeichnet wird (IPCC Report AR4 Climate Change 2007: The Physical Science Basis), sammeln sich die zusätzlichen menschlich verursachten Emissionen in der Atmosphäre an. Der heutige CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist laut Reports des Weltklimarats der höchste der letzten 800.000 Jahre. Noch nie in der Erdgeschichte ist er derart schnell angestiegen, lautet eine weitere Erkenntnis des Weltklimarats. Prognosen verschiedener wissenschaftlicher Institutionen schätzen Entwicklungen der Erdtemperatur in Abhängigkeit der Zunahme der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre ab. So hat beispielsweise das PIK Potsdam (www.pik-potsdam.de) Prognosen für ein globales Emissionsbudget abgeschätzt, wenn die globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf rund 1,5 oder 2 Grad beschränkt werden soll.
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Der weltweite Ausstoß von Kohlenstoffdioxid nimmt seit 1960 kontinuierlich zu und erreichte im Jahr 2018 seinen bisherigen Höchstwert von rund 36,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid. Bis zum Jahr 2050 wird ein Anstieg der jährlichen CO2-Emissionen auf bis zu 43,1 Milliarden Tonnen prognostiziert.

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Der globale Kohlenstoffkreislauf. Die Zahlen stehen für den Fluss von Kohlendioxid in Gigatonnen (Quelle: Abbildung 7.3, IPCC AR4).

3. Das globale Budget für Treibhausgasemissionen

Die Klimaforschung untersucht u.a. in Prognosen, wie sich künftige Treibhausgasemissionen auf den Temperaturanstieg auf der Erde auswirken. Für Deutschland ist in diesem Forschungsbereich das PIK Potsdam aktiv. Es hat globale Emissionsbudgets abgeschätzt, die der Menschheit noch zur Verfügung stehen, wenn die Erderwärmung auf bestimmte Ziele beschränkt werden soll. Die Budgets besagen, wie viele Emissionen die Menschheit sich ab ca. Jahresende 2019 insgesamt noch leisten kann, um bestimmte Temperatur- und damit Klimaziele zu erreichen:

  • 1.100 Gigatonnen CO2 für eine Zunahme von rund 2°
  • 400 Gigatonnen CO2 für eine Zunahme von rund 1,5°

Als einen realistischen Zielwert sieht das PIK Potsdam dabei eine Begrenzung künftiger CO2-Emissionen auf rund 800 Gigatonnen ab Jahresende 2019 an, womit die Erderwärmung unter 2 Grad gehalten werden könnte. Derzeit verursacht die Menschheit jährlich etwa 36 Gigatonnen CO2-Emissionen mit leicht steigender Tendenz. Würde man die heutigen Emissionen fortschreiben, wäre in gut 11 Jahren eine Erderwärmung um rund 1,5 Grad und in gut 30 Jahren eine Erderwärmung um rund 2 Grad das mögliche Ergebnis. Die aktuell bekannten Emissionswerte, würde man weltweit alle verfügbaren fossilen Ressourcen (Kohle, Gas, Erdöl) fördern und verbrauchen, liegen derzeit bei 15.000 Gigatonnen CO2, darin sind Neuentdeckungen wie ein Ende 2019 im Iran entdecktes, riesiges Ölfeld mit einem geschätzten Volumen von 8.500 Milliarden Litern noch nicht enthalten. Mit dem zunehmenden Rückgang der Eisflächen auf der Nordhalbkugel dürften weitere fossile Ressourcen entdeckt und nutzbar werden.
Ein beschränktes Budget an möglichen Emissionen zur Beschränkung der Erderwärmung steht also einem Vielfachen dieses Budgets an verfügbaren Ressourcen gegenüber. Seit dem Jahr 2000 steigen die menschlich verursachten CO2-Emissionen weltweit trotz aller Bemühungen beständig an, aktuell wachsen sie jährlich um 2-3 %. Das betrifft Emissionen aus allen fossilen Ressourcen. Während Emissionen aus Gas und Öl moderat anstiegen, haben seit den 2000er Jahren vor allem Emissionen aus Kohlenutzung global deutlich zugenommen, auch 2018 und 2019 sind diese weiter angestiegen. Laut Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des PIK Potsdam, erleben wir heute die weltweit größte Kohlerenaissance der Menschheit. Ursache war in den vergangenen Jahren vor allem das enorme Wachstums China, das die Entwicklung von Europas Industrieländern in einem kurzen Zeitraum wiederholt hat. Weitere Länder, vor allem in Asien und Afrika, errichten derzeit eine Energieinfrastruktur, die ebenso stark auf fossile Energieträger ausgerichtet ist. Derzeit gehen Wirtschaftswachstum, Bevölkerungswachstum und Emissionswachstum global gesehen Hand in Hand.

Eine Berechnung des PIK Potsdam macht die globale Herausforderung deutlich, um die Erderwärmung nach Schätzungen der Klimaforscher unter 2 Grad halten zu können. Demnach müssten die CO2-Emissionen im Jahr 2020 ihren Höhepunkt erreichen und dann jährlich um 4-6 % zurückgehen, zur Jahrhundertmitte müssten dann mittels neuer Technologien sogar negative Emissionen realisiert werden, indem CO2 aus der Atmosphäre in dem Umfang reduziert wird, in dem es von Menschen in verschiedenen nicht vermeidbaren Prozessen erzeugt wird. Dem natürlichen Gleichgewicht müsste dann auch ein Gleichgewicht der menschlich verursachten Emissionssteigerungen und -minderungen zur Seite stehen. Ohne Technologien, die das Entweichen von CO2-Emissionen bei Nutzung der Rohstoffe verhindern, müssten von den heute verfügbaren Rohstoffen erhebliche Mengen im Boden verbleiben:

Ressource notwendiger Verbleib in %
Kohle 89
Öl 63
Gas 64

 

Aktuell nehmen CO2-Emissionen in Europa bereits ab. Weltweit zeigt der Trend in eine andere Richtung. Investitionsentscheidungen in Energieinfrastruktur beispielsweise in Indonesien, den Philippinen, Japan, Bangladesch, China und entlang der Seidenstraße setzen verstärkt auf Kohlekapazitäten. Auch Afrika kommt im Falle eines wirtschaftlichen Aufschwungs künftig eine wichtige Rolle zu – Deutschlands Entwicklungsminister Gerd Müller warnte im Herbst 2019 davor, dass allein in Afrika derzeit 950 Kohlekraftwerke in Bau oder Planung sind. In Asien und Afrika entsteht in den kommenden Jahren die Energieinfrastruktur für die kommenden Jahrzehnte – somit weist vieles daraufhin, dass die Entwicklung globaler Emissionen vor allem durch die Umsetzung dieser Vorhaben in Afrika und Asien beeinflusst wird. Aus diesem Grund wird die Kohlefrage nicht nur vom PIK Potsdam ins Zentrum der Klimaschutzdiskussion gerückt: Es geht darum, zum einen Emissionen aus der Kohle, aber auch aus Gas und Öl zu vermeiden bzw. zu verringern, zum anderen darum, erfolgreiche Wege für Wirtschaftswachstum mit klimafreundlichen und emissionsarmen oder emissionsfreien Technologien aufzuzeigen.

Die Kleine Klimaschule wird in weiteren Ausführungen Möglichkeiten und Technologien rund um Emissionsminderung und Klimaschutz diskutieren. Zur Einführung soll aber erst einmal betrachtet werden, wo Deutschland im Bereich Emissionen und Klimaschutz steht.

Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin betreibt eine Webseite, auf der das globale Emissionsbudget in Form eines ablaufenden Countdowns zum 1,5 und zum 2 Grad-Ziel visualisiert wird. Den jederzeit aktuellen Stand des globalen Budgets kann man auf dieser Webseite einsehen: https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html.

4. Kipppunkte im Erd-Klimasystem

Wissenschaftler vermuten unter bestimmten Umständen in verschiedenen Regionen der Erde eine mögliche Verselbständigung der Erderwärmung. Sie sprechen dabei von Kipppunkten. Vereinfacht gesagt, soll sich die Erderwärmung ab dem Überschreiten eines bestimmten Zustandes auch ohne weiteren menschlichen Einfluss von selbst verstärken. Sie vermuten weiter, dass diese Zunahme zu einer nachhaltigen Veränderung des Klimas in diesen Regionen führt und unumkehrbar ist – also auch nicht mehr auf den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden kann, auch wenn die Rahmenbedingungen wieder auf den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden. Da es sich dabei um sehr komplexe Systeme handelt, ist nicht ausgeschlossen, dass das Überschreiten eines Kipppunktes einen weiteren beeinflussen und wahrscheinlicher machen kann. Die Wechselwirkungen sind weitgehend unbekannt und Gegenstand der Forschung. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat 16 Kipppunkte ermittelt und in die Kategorien Eiskörper, Strömungssysteme und Ökosysteme gegliedert.

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Eiskörper

Wo Eis verschwindet, geht helle Oberfläche verloren, die Sonneneinstrahlung stärker reflektiert. Meist wird eine dunkle, felsige Oberfläche freigelegt, die Wärme stärker aufnimmt und somit das Abschmelzen der umliegenden Eisfläche verstärkt. Dieser selbstverstärkende Prozess ist sowohl Folge als auch Ursache der lokalen Temperaturerhöhung, darüber hinaus bestimmte das PIK weitere Kippelemente in den Eismassen des Erdsystems:

  • Schmelzen des Arktischen Meereises: Der Schmelzprozess betrifft die Ausdehnung und Dicke des arktischen Meereises. Laut PIK ist damit zu rechnen, dass die Arktis bis zum Ende des Jahrhunderts in der Sommerzeit eisfrei sein wird.
  • Verlust des Grönland-Eispanzers: Der bis zu 3 Kilometer starke Eispanzer Grönlands schmilzt beständig. Dadurch nimmt seine Höhe ab, in tieferen Regionen sind die Temperaturen höher und der Prozess könnte dadurch verstärkt werden. Das PIK hat Hinweise darauf ermittelt, dass bei einer Erderwärmung von knapp 2°C auf lange Sicht über Jahrhunderte der vollständige Verlust des Eispanzers erreicht werden könnte, verbunden mit einem Meeresspiegelanstieg von bis zu 7 Metern.
  • Kollaps des Westantarktischen Eisschildes: Das Westantarktische Eisschild liegt auf dem kontinentalen Rücken unterhalb des Meeresspiegels auf. Er könnte durch bestimmte Fließprozesse in Folge der Erderwärmung instabil werden und zerbrechen. Es gibt Hinweise darauf, dass ein solcher Prozess auch unabhängig vom menschlichen Einfluss bereits heute im Gange ist. Der Zerfall dieses Eisschildes könnte über Jahrhunderte hinweg zu einem Anstieg des Meeresspiegels um über drei Meter führen.
  • Teilkollaps in der Ostantarktis: Trotz derzeit stabiler Verhältnisse in diesem Teil der Arktis, der den größten Teil der in Eis gebundenen Süßwasserreserven der Welt beherbergt, weisen Forscher des PIK auf den möglichen Verlust eines entscheidenden, kleinen Bereiches hin, der auch in der Ostantarktis zu einem selbstverstärkenden Eisverlust führen könnte.
  • Auftauen der Yedoma-Dauerfrostböden: Dauerfrostböden sind ganzjährig gefroren. In ihnen sind riesige Mengen an Kohlenstoffdioxid und dem noch klimawirksameren Treibhausgas Methan gebunden, man geht allein in den oberen Schichten von umgerechnet 1.500 Milliarden Tonnen gebundenem CO2 aus. Mit einem Auftauprozess wäre die Zersetzung von Kohlenstoffverbindungen durch Mikroorganismen verbunden, wodurch zusätzliche Wärme erzeugt und das Auftauen der Böden verstärkt werden könnte. Das Wegbrechen oberflächlicher Böden könnte Tau- und Zersetzungsprozesse tieferliegender Schichten ermöglichen.
  • Methan-Ausgasung aus den Ozeanen: In arktischen Meereissedimenten, insbesondere in Ostsibirien, ist Methan eingelagert. Durch die Wärmezufuhr aus dem Meerwasser baut sich dieses eingelagerte Methan bereits seit Jahrtausenden langsam ab – dieser Effekt kann durch die Erderwärmung verstärkt werden. Methan gilt als 16-Mal klimawirksamer als CO2.

Strömungssysteme

Viele klimatische Zusammenhänge auf der Erde basieren auf entweder ganzjährigen oder in bestimmten wiederkehrenden saisonalen Zeiträumen auftretenden Mustern von Luft- oder Meeresströmungen sowie deren natürlicher Schwankungen über den Zeitraum mehrerer Jahre. Diese Prozesse sind nicht unveränderlich und haben sich in der Erdgeschichte bereits mehrfach teils abrupt geändert und neu organisiert. In Folge der Erderwärmung hat das PIK mögliche Veränderungen in den Strömungssystemen der Zukunft prognostiziert:

  • Abschwächung der Atlantischen Thermohalinen Zirkulation: Im Atlantik bestehen gewaltige Strömungen, in denen warmes Wasser an der Oberfläche in den kalten Norden transportiert wird, dort abkühlt und absinkt, und dann in der Tiefe wieder in den Süden fließt. Durch zufließendes Süßwasser infolge der Eisschmelze im Norden könnte sich dieses Strömungssystem abschwächen. Das PIK hat Hinweise ausgemacht, dass sich diese Abschwächung bereits vollzieht. Die Folgen können von einer Abkühlung im Nordatlantik über einen Meeresspiegelanstieg insbesondere an der amerikanischen Atlantikküste bis zu marinen klimatischen Veränderungen z.B. im Umfeld des Golfstroms führen.
  • Störung des El Niño-Phänomens: Das El Niño-Phänomen betrifft wiederum den Pazifik. Es tritt alle zwei bis sieben Jahre auf und führt Wassermassen von Asien Richtung Südafrika, es wirkt somit den üblichen, entgegengesetzt strömenden Passatwinden entgegen. Der Klimawandel könnte dieses Phänomen häufiger auftreten lassen, mit klimatischen Auswirkungen wie Dürren in Australien, verstärktem Niederschlag an den westlichen Küsten Amerikas bis zur Veränderung der Monsundynamik.
  • Verlangsamung oder Einrasten der Planetarischen Wellen des Jet Streams: Der Jet Stream ist eine Strömung in 7 bis 12 Kilometern Höhe im Bereich der Nordhalbkugel, der kalte arktische Luftmassen von gemäßigten südlichen Luftmassen trennt. Er verfügt über eine wellenartige Dynamik und „schlängelt“ sich, wodurch die Hoch- und Tiefdruckgebiete entstehen, die wir von Wetterberichten zu Deutschland oder Europa kennen. Infolge des Klimawandels verlangsamt sich diese Dynamik und es könnte zu einer Glättung des Welleneffekts kommen, sodass statt der bekannten dynamischen Hoch- und Tiefdruckgebiete langanhaltende Extremwetterlagen wie Kälte- oder Hitzewellen bzw. Überflutungen oder Dürren resultieren können.
  • Destabilisierung des Indischen Monsuns: Der Sommermonsun Indiens funktioniert als saisonaler, sich selbstverstärkender Kreislauf. Feuchte, schwere Luftmassen strömen vom Meer aufs Land und regnen sich ab, bei der Kondensation der Niederschläge wird Wärme freigesetzt, die aufsteigenden warmen und leichten Luftmassen wirken wiederum wie ein Sog auf die schwere, feuchte Luft, die vom Meer landeinwärts geführt wird. Dieser Kreislauf könnte durch den Klimawandel gestört werden und wechselnd zu deutlich mehr Niederschlägen und Überflutungen oder deutlich weniger Niederschlägen verbunden mit Dürren führen.
  • Verlagerung des Westafrikanischen Monsuns mit Auswirkung auf die Sahara: Der Klimawandel könnte ebenso das Monsunsystem in Westafrika verändern. Durch eine Verschiebung des Niederschlagsgürtels könnten Bereiche der Sahel-Zone ergrünen. Diesen positiven Effekt können möglicherweise negative Folgen begleiten. So könnte der Wüstenstaub Westafrikas, der durch Stürme Nährstoffe bis zu Korallenriffen in die Karibik und den Amazonasregenwald führt, versiegen.
  • Austrocknen des Nordamerikanischen Südwestens: Schon heute nehmen Niederschlagsmengen im Südwesten Nordamerikas ab, da sich die subtropische Trockenzone Richtung Norden ausdehnt. Auch hier könnten weitere Veränderungen in den Luftströmungen zur Überschreitung eines Kipppunkts führen und abrupt zu einer noch größeren Trockenheit im Südwesten der USA führen.

Ökosysteme

Ökosysteme sind komplexe Lebensräume für bestimmte Tier- und Pflanzenarten. Verändern sich Ökosysteme durch Temperaturanstieg oder zunehmende Trockenheit, werden einige Arten in andere Regionen ausweichen, andere sind aber an spezifische Lebensbedingungen angepasst und können das nicht. Zudem beansprucht der Mensch auch durch weiteres Bevölkerungswachstum auf der Erde immer mehr geeignete Lebensräume, sodass durch den Klimawandel Ökosysteme samt ihrem typischen Klima und den daran angepassten Artengemeinschaften verschwinden könnten. Hier sieht das PIK folgende Ökosysteme bedroht:

  • Umwandlung des Amazonas-Regenwaldes: Im Amazonasregenwald findet etwa ein Viertel des weltweiten Kohlenstoffaustauschs zwischen Atmosphäre und Biosphäre statt. Durch Abholzung und Brände werden Verdunstungen und somit Niederschlagsmengen immer mehr gemindert. Es wird vermutet, dass ab Überschreiten einer kritischen Abnahme des Amazonasregenwalds der Wald zunehmend trockenfällt und sich von einem immergrünen Wald mit beständigem Kohlenstoffaustausch in einen saisonalen Wald oder eine Graslandschaft verändern könnte. In der Folge würde nicht nur deutlich mehr CO2 in der Atmosphäre verbleiben, sondern gleichzeitig ein Gebiet mit einzigartiger Biodiversität verloren gehen, das durch Stärkung ein wichtiger Ausgangspunkt für die Erholung des Erdklimas sein könnte.
  • Rückgang der Nordischen Nadelwälder (Borealwälder): Die nordischen Wälder ziehen sich von Sibirien über Nordeuropa bis nach Kanada und Alaska, sie enthalten fast ein Drittel der weltweiten Waldfläche. Durch die Erderwärmung können sie zunehmend Schäden durch Pflanzenschädlinge, Stürme oder Brände erleiden. Bei Überschreiten bestimmter Bedingungen könnten sie von Busch- oder Graslandschaften verdrängt werden. In der Folge würden große Mengen CO2 freigesetzt und nachhaltig würde Biomasse zur Bindung des CO2 aus der Atmosphäre verschwinden, wodurch sich die Erderwärmung beschleunigen könnte.
  • Zerstörung von Korallenriffen: Korallenriffe sind komplexe Ökosysteme, die sehr sensibel auf Temperaturschwankungen reagieren. Bereits in den letzten Jahren sind Teile von Korallenriffen abgestorben, man spricht dabei von der Korallenbleiche. Das Nachwachsen eines Korallenriffs dauert mehrere tausend Jahre.
  • Abschwächung der Marinen Kohlenstoffpumpe: Man schätzt, dass rund 40% der menschlich verursachten Emissionen durch die Ozeane aufgenommen wurden und sich so nicht in der Erdatmosphäre angesammelt haben. Sie werden meist von Algen aufgenommen, die wiederum als Nahrungsquelle für viele Arten dienen. Die Erderwärmung einhergehend mit Übersäuerung des Meerwassers könnte diesen Effekt abschwächen und die Konzentration der Emissionen in der Atmosphäre verstärken.

Gesamtübersicht der einzelnen Kippelemente und ihrer Eigenschaften

 

Kippelement Einflussgrößen, die als Auslöser dienen können Kritische globale Erwärmung in °C Charakteristischer Übergangszeitraum in Jahren
Arktisches Meereis Lufttemperatur, Ozeanströmungen und -temperaturen 0,5 – 2 10 – 100
Grönländischer Eisschild Lufttemperatur 1 – 2 300 - 1.000
Westantarktischer Eisschild Luft- und Ozeantemperatur 3 – 5 300 - 1.000
Permafrost Bodentemperatur - 100
Methanhydrate (marin) Bodentemperatur unklar 1.000 - 100.000
Tibetisches Hochland     50 – 100
Atlantische Tiefenwasserbildung Süßwassereintrag im Nordatlantik (z.B. durch Eisberge) 3 – 5 100 – 500
Antarktische Tiefenwasserbildung Süßwasserbilanz (vor allem Niederschlag und Verdunstung) unklar 100
Marine Kohlenstoffpumpe     500
El Niño Schichtung des oberen Ozeans 3 – 6 100
Antarktisches Ozonloch Stratosphärische Wolken unklar 10 – 100
Arktisches Ozonloch Stratosphärische Wolken unklar 10
Indischer Monsun Albedo über Indien - 30 – 100
Westafrikanischer Monsun Niederschlag 3 – 5 50
Boreale Wälder Lufttemperatur 3 – 5 50
Amazonischer Regenwald Niederschlag 3 – 4 50 – 100
Sahara     50

Quelle T. M., Held, H., Kriegler, E., Hall, J. W., Lucht, W., Rahmstorf, S. and Schellnhuber, H. J. (2008). Tipping elements in the Earth's climate system. Proceedings of the National Academy of Sciences, Online Early Edition

 

Eiskörper, Strömungssysteme und Ökosysteme beeinflussen durch vielfältige Wechselwirkungen die Konzentration von Treibhausgasemissionen in der Erdatmosphäre durch direkte oder indirekte Effekte nachhaltig. Weitere Informationen und Quellen zu den Hinweisen des PIK Potsdam sind zu finden unter: www.pik-potsdam.de/services/infothek/kippelemente/

5. Emissionen und Sektoren in Deutschland

Klimaschutz und die Eindämmung der Erderwärmung sind anhand der Vorbemerkungen gleichzusetzen mit der Vermeidung von Treibhausgasemissionen. Deutschlands Anteil an den weltweiten Emissionen von 36,6 Milliarden Tonnen CO2 beträgt mit rund 800 Millionen Tonnen CO2 etwa 2,2 % (Stand Ende 2019). CO2-Emissionen erfolgen dabei in verschiedenen Bereichen verstärkt. Diskutiert wird in der deutschen Öffentlichkeit meist der CO2-Ausstoß der Energiewirtschaft, vornehmlich der Kohlekraftwerke. Grundsätzlich gibt es fünf verschiedene Bereiche in der deutschen Volkswirtschaft, die maßgeblich CO2 emittieren. Sie werden meist als Sektoren bezeichnet und hier kurz dargestellt.

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Energiewirtschaft: Die Energiewirtschaft sorgt heute für etwas mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland. CO2 wird hier bei der Wandlung fossiler Ausgangsstoffe in Energie freigesetzt, also beim Verbrennen von Kohle, Gas, Flüssigbrennstoffen oder Biomasse. Die Verbrennung von Festbrennstoffen macht ca. 75 % der CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft aus. Flüssigbrennstoffe machen etwas über 5 % und Gase etwas über 10 % aus (Quelle Umweltbundesamt). Weitere Emissionen werden bei der sonstigen Energiegewinnung wie z.B. bei der Müllverbrennung verursacht. Insgesamt werden für das Jahr 2017 rund 330 Millionen Tonnen CO2-Emissionen für die deutsche Energiewirtschaft geschätzt.
Industrie: Industrieprozesse sorgten 2017 in Deutschland für rund 193 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Sie entstehen vorwiegend bei Prozessen mit Wärme wie in Stahlwerken, der chemischen Industrie, der Zementindustrie. In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Emissionen nur um wenige Prozent im einstelligen Bereich verringert, zuletzt haben sie im Sektor Industrie wieder zugenommen.
Verkehr: Der Verkehr hat in den vergangenen Jahren unter allen Sektoren die vergleichsweise stärkste Zunahme an CO2-Emissionen zu verzeichnen. Sie liegen in diesem Sektor heute sogar über den Werten von 1990 und haben in den letzten acht Jahren um ca. 10 % zugenommen. Der Verkehr sorgt heute für ca. 169 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen. Dieser Trend spiegelt einerseits die Zunahme des Güterverkehrs – zumeist auf der Straße – wider, der seit Mitte der 1990er-Jahre um gut 50 % zugenommen hat. Die Verlagerung des (Güter)Verkehrs auf die Schiene ist bislang nicht umgesetzt worden. Zum anderen werden im Bereich der PKWs vor allem schwere Modelle (bezogen auf Gewicht bzw. Motorleistung der Fahrzeuge) mit vergleichsweise höherem Anteil an CO2-Emissionen verkauft. 2018 wurden in Deutschland erstmals 933.504 Geländewagen und SUV zugelassen, 2019 waren es bereits mit dem November über 1 Mio. Neuzulassungen in diesem Fahrzeugsegment. Der Anteil der meist schweren und verbrauchsstarken Gefährte war noch nie so hoch und wächst nach wie vor. Modelle mit Hybridantrieb machten 2018 noch 3,8 % der Neuwagen aus, sie wuchsen in 2019 immerhin auf einen Anteil von gut 8%, Elektroautos haben sich von 1 % der Neuzulassungen in 2018 auf aktuell ca. 1,6% gesteigert. Aktuell soll die Umstellung auf Elektroautos forciert werden und diesen Trend deutlich verstärken. In den Autohäusern wird allerdings noch immer der Verkauf von SUVs vorangetrieben, weil das der Nachfrage durch die Kunden entspricht.
Landwirtschaft: In der Landwirtschaft sind die Treibhausgas-Emissionen seit vierzehn Jahren stabil bei knapp 70 Millionen Tonnen pro Jahr. Sie entstehen vor allem bei der Bewirtschaftung der Böden, beim Düngen, der Kalkung oder dem Ausbringen von Gülle. Vor allem die Viehhaltung ist für einen Großteil der Treibhausgase verantwortlich, hier emittieren insbesondere Kühe bei der Verdauung große Mengen Methan. Die Treibhausgase werden auch in diesem Sektor in CO2-Äquivalente umgerechnet, sodass die Gesamtemissionen von 70 Millionen Tonnen pro Jahr auch Methan und Stickoxide enthalten, durch die Umrechnung auf CO2 aber den Vergleich mit anderen Sektoren gewährleisten.
Gebäude und Wärme: In diesem Sektor werden Emissionen erfasst, die bei der Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme vorwiegend in privaten Haushalten freigesetzt werden. Maßnahmen zur Minderung der Emissionen sind z.B. die Dämmung von Gebäuden, die Umrüstung auf moderne Heizanlagen oder die Verminderung des Energieverbrauchs durch ergänzende Nutzung von Anlagen für erneuerbare Energieträger. In diesem Bereich sind die Emissionen der Treibhausgase seit 1990 von ca. 210 Millionen Tonnen pro Jahr um ca. 30 % auf heute rund 131 Millionen Tonnen pro Jahr zurückgegangen. Allerdings haben die Emissionen auch hier in den letzten Jahren wieder leicht zugenommen. Ebenso ist es eine besondere Herausforderung, die große Anzahl der Bestandsimmobilien mit Wärmedämmung bzw. Anlagen für erneuerbare Energien nachzurüsten. Meist geschieht dies im Zusammenhang mit einem Eigentümerwechsel und der entsprechenden Immobilienveränderung.

Treibhausgase und CO2-Emissionen fallen auch in weiteren Bereichen an, die allerdings im Vergleich zu den fünf hier dargestellten Sektoren nur einen geringen Einfluss haben. Wie sich die Sektoren im Rahmen der deutschen Energiewende entwickelt haben und welchen Beitrag sie zum Klimaschutz leisten (könnten), betrachten wir in Beitrag 3 der Kleinen Klimaschule.

Wichtiger Hinweis: Deutliche globale Emissionsminderungen infolge der SARS-COV-2-Pandemie (oder einfacher Coronavirus-Pandemie) und der damit verbundenen Stilllegung von öffentlichem Leben und vieler Industrien in Deutschland sowie unzähligen weiteren Ländern im Frühjahr und Sommer 2020 werden hier aus verschiedenen Gründen nicht betrachtet. Auch wenn die Treibhausgas-Emissionen vorübergehend teils erheblich gesunken sind und für Deutschland die Erfüllung der Klimaschutzziele im Jahr 2020 wieder wahrscheinlich machen, wird der Krise ein wirtschaftlicher Aufholprozess folgen. Was Energiewirtschaft, Verkehr und Industrie in der Krise und der eventuell folgenden Rezession einsparen, könnte später zu einer umso schnelleren und stärkeren Zunahme führen. Insofern wird das Jahr 2020 für die nachhaltige und künftige Entwicklung der deutschen, aber auch der globalen Emissionen wenig Aussagekraft besitzen.

6. Klimaschutz und Klimaskeptiker

Die abschließenden Betrachtungen zur Historie des Klimaschutzes sollen lediglich einen kurzen Überblick zur zeitlichen und strukturellen Einordnung geben. Klimaschutzmaßnahmen werden erst nach den Grundlagen zum Energiesystem und zur Energiewende genauer betrachtet, um zuvor ein Verständnis für unterschiedliche Positionen in der Diskussion und damit auch die Grundlagen für eine eigene Meinungsbildung zu schaffen. Zudem grenzen wir Argumente von Akteuren ab, die dem menschgemachten Klimawandel skeptisch gegenüberstehen.

Kleine Chronologie zum Klimaschutz:

Klimapolitik und Klimaschutz haben im internationalen Maßstab eine sehr junge Geschichte. Wir betrachten sie getrennt von bereits seit Langem existierenden individuellen Maßnahmen zum Umweltschutz. US-Präsident Richard Nixon begann 1969 erstmals, umweltpolitische Maßnahmen auf internationaler Ebene zu koordinieren. Themen waren der saure Regen und zu dieser Zeit auch schon menschlich verursachte Klimaeinflüsse, die Bemühungen wurden allerdings schnell auf Eis gelegt. Der Treibhauseffekt wurde erstmals 1972 auf einer Konferenz der Vereinten Nationen im internationalen Maßstab behandelt. Es dauerte noch 20 Jahre, bis 1992 auf einer weiteren Konferenz die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) beschlossen wurde. Sie wurde von 154 Staaten unterschrieben und hatte bereits das Ziel, die Erderwärmung einzudämmen. Bis heute haben 197 Staaten das Abkommen unterzeichnet. Seitdem treffen sich die Staaten jährlich zu UN-Klimakonferenzen, in denen die Klimarahmenkonvention fortgeschrieben und um neue Vereinbarungen ergänzt wird. Die bekanntesten Treffen spielen in Berichterstattungen oft eine Rolle:


  • 1997 Kyoto / Japan, die 3. Konferenz mit Verabschiedung des sogenannten Kyoto-Protokolls, das Industriestaaten zu Treibhausgas-Minderungszielen verpflichtete und den Internationalen Emissionshandel einführte
  • 2009 Kopenhagen / Dänemark, die 15. Konferenz, die eigentlich zu einem Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll führen sollte, mit einer nicht rechtsverbindlichen Erklärung zum Klimaschutz aber im Grunde scheiterte und negativ in die Geschichte internationaler Klimaschutzbemühungen einging
  • 2015 Paris / Frankreich, die 21. Konferenz endete mit dem Beschluss des Pariser Abkommens, das erstmals alle Staaten zu Minderungszielen verpflichten soll, die von den einzelnen Staaten aber noch verbindlich festzulegen und dann auch einzuhalten sind

Aller fünf Jahre sollen die Ziele nun mit dem Stand der Wissenschaft verglichen und entsprechend angepasst werden. Somit wäre in diesem Jahr 2020 abermals ein zähes Ringen um die Zielstellungen zu erwarten. Der Sitz der Organisation zur Klimarahmenkonvention UNFCCC befindet sich übrigens in Deutschland, genauer in Bonn (siehe www.unfccc.int)

Klimaforschung:

Wissenschaftler beschäftigen sich seit ca. 100 Jahren mit dem Zusammenhang zwischen CO2 und der Erdtemperatur. Seit 30 Jahren wird der Mensch als Hauptverursacher des beobachtbaren Klimawandels gesehen und auf internationaler Ebene Klimaforschung bzw. Klimafolgenforschung betrieben. In dieser Forschung arbeiten Wissenschaftler international und über verschiedene Disziplinen hinweg zusammen. Inzwischen hat sich ein weltweites Bündnis formiert, das auch nichtwissenschaftliche Akteure umfasst. Hierzu zählen die Vereinten Nationen (UN) und ihr Umweltprogramm (UNEP) sowie die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC). Seit seiner Gründung im Jahr 1988 fasst der IPCC etwa alle sieben Jahre in seinen Sachstandsberichten den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel für politische Entscheidungsträger zusammen, ohne dabei spezielle Handlungsempfehlungen für die Politik auszusprechen. Einen Überblick über alle Berichte findet man hier: http://www.deutsches-klima-konsortium.de/?id=646. In Deutschland haben sich die an der Klimaforschung beteiligten Institutionen zum Deutschen Klima Konsortium zusammengeschlossen. Alle Informationen zu diesem Bündnis und zu den Akteuren in Deutschland findet man unter www.deutsches-klima-konsortium.de. Heute wird an über 100 Universitäten in Deutschland in vielen Zusammenhängen zu Klima und Umwelt geforscht, ebenso in außeruniversitären Einrichtungen wie den Instituten großer Forschungsgesellschaften sowie in privaten Forschungseinrichtungen, NGOs und anderen Organisationen. Die Forschung ist vielfältig, hat sehr unterschiedliche Schwerpunkte und wendet sich auch an sehr unterschiedliche Zielgruppen. Dabei geht es nicht nur um technische und naturwissenschaftliche Aspekte, sondern auch um sozialwissenschaftliche Aspekte wie die Frage, warum der Mensch sich trotz Erkenntnissen nur schwer zu Veränderungen bewegen kann. Nach Auflistung des Deutschen Klima Konsortiums kann man die Klimaforschung trotz der Vielfalt grob in diese sechs Aufgaben unterteilen:

  • • Erdsystem beobachten (Klimadaten gewinnen): Helmholtz-Gemeinschaft, CEN, Jülich, GFZ, IOW, IUP, MARUM, UHOH
  • Gesellschaft verstehen (Gesellschaftsdaten gewinnen): u. a. Universität Hamburg, CGG, PIK, IASS, CEN, IfW, KIT
  • Modellieren und projizieren von klimatischen Prozessen: u. a. MPI-M, PIK, DKRZ, DWD, REKLIM
  • Bewerten und begutachten von Klimadaten und Klimaprojektionen (interdisziplinär): fast alle
  • Beraten: u. a. UBA, DWD, GERICS, IASS aber auch Projekte wie REKLIM usw.
  • Capacity Building (Weltweite Klimakompetenz aufbauen): finanziert durch das BMBF

Die Klimafolgenforschung sieht den menschgemachten Klimawandel als erwiesen an. Sie beschäftigt sich vor allem mit den Folgen des Klimawandels und Möglichkeiten zu deren Beeinflussung.

Skeptiker des menschgemachten Klimawandels:

Hier bedarf es zuerst einer grundsätzlichen Klarstellung. In verschiedenen Beiträgen begegnet man den Begriffen Klimaleugner oder Klimaskeptiker, manchmal ist von Leugnern des Klimawandels die Rede. Solche Beiträge weichen von einer sachlichen Herangehensweise ab. Unabhängig von Positionen und Meinungen lässt sich in der Debatte rund um den Klimaschutz niemand finden, der den Klimawandel oder gar das Klima leugnet. Klima gab es schon immer und wird es auch immer geben – und der Klimawandel vollzieht sich seit hunderten Millionen Jahren durch unterschiedliche Erdzeitalter mit wärmeren und kälteren Phasen bis hin zu Eiszeiten. Darüber sind sich alle Wissenschaftlicher einig. Unterschiedliche Ansichten gibt es zum menschlich verursachten Anteil am Klimawandel. Hierbei wird in der öffentlichen Diskussion die Zeit seit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 18. Jahrhunderts betrachtet. Seit ca. 1860 existieren Temperatur-Messreihen, aus denen Wissenschaftler unterschiedliche Rückschlüsse ziehen. Wissenschaftler und Gruppierungen, die der These vom menschlich gemachten Klimawandel skeptisch gegenüberstehen, sind heute in der deutlichen Minderheit. Sie führen z.B. folgende Argumente an:

  • Das menschlich verursachte CO2 hat keinen messbaren Einfluss auf den Klimawandel, der vielmehr von Faktoren wie den Strahlungszyklen der Sonne und der Neigung der Erdachse verursacht wird
  • Es gibt keinen Zusammenhang zwischen CO2 und der Erderwärmung, in der Erdgeschichte gab es immer wieder Phasen mit deutlich höheren CO2-Anteilen, in denen auch Eiszeiten stattfanden, siehe nachfolgende Abbildung
  • Die Messreihen als Beleg der aktuellen Erderwärmung lassen auch andere Interpretationen zu, über viele Jahre gab es selbst innerhalb der Industrialisierung mit erhöhtem menschlich verursachten CO2-Ausstoß Abkühlungen, je nach Messort selbst in den Jahren 1980 bis 2010, als das menschlich verursachte CO2 sehr deutlich zunahm
  • Von etwa 1998 bis 2013 stagnierte die globale Erdmitteltemperatur trotz deutlicher Zunahme der menschlich verursachten CO2-Emissionen, ein linearer Zusammenhang und somit eine Korrelation zwischen CO2 und Erderwärmung habe sich nicht bestätigt
  • Die Atmosphäre verbraucht CO2 beständig als Ausgangsstoff für die Photosynthese, deshalb schwankt sein Anteil in der Erdgeschichte, er betrug im Cambrium bis 7.000 ppm, vor 150 Mio. Jahren lag er bei 2.000 ppm und sank seitdem auf einen erdgeschichtlich gesehenen Tiefststand von ca. 280 ppm und hielt diesen bis vor rund 200 Jahren; der seitdem durch den Menschen erhöhte Anteil an CO2 hat zu einer messbaren Zunahme von Wäldern und Pflanzen geführt, es sollte sogar mehr CO2 emittiert und dem natürlichen Kreislauf z.B. durch Verbrennung fossiler Rohstoffe wieder zugeführt werden, um die Biosphäre zu fördern
  • Mehr CO2 hilft den Pflanzen beim Wachstum und ist eine Lösung zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung
  • Die Klimamodelle, mit denen Klimaforscher Szenarien für eine künftige Erderwärmung darstellen, seien fehlerhaft und rein theoretische Simulationsmodelle, die zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen; um wissenschaftlich relevant zu sein, müssten unterschiedliche Modelle aber zu ähnlichen Ergebnissen gelangen.
  • Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis für einen Zusammenhang zwischen CO2 in der Erdatmosphäre und zunehmender Erderwärmung.
  • Hinter der These vom menschgemachten Klimawandel stecken vor allem wirtschaftliche Interessen verbunden mit immensen Ausgaben für Wissenschaft und Forschung sowie die Wirtschaft in entsprechenden Bereichen.
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CO2-Gehalt der Atmosphäre und Globaltemperatur der letzten 570 Millionen Jahre (nach Scotese). Der CO2-Gehalt erreichte mehrfach 4.000-6.000 ppm und liegt nach dieser Darstellung heute mit 400 ppm nahe am Minimum.

Den Argumenten skeptischer Akteure steht eine überwiegende Mehrheit in der internationalen Wissenschaft gegenüber, deren Argumente und Erkenntnisse in den ersten Gliederungspunkten dieses Beitrags dargestellt wurden. Positionen und Meinungen zu den Inhalten dieses Beitrags werden als Anregung für eine Auseinandersetzung mit dem Thema in den Anhängen mit einem kurzen Hinweistext versehen und sollen die Dialogorientierung der Kleinen Klimaschule unterstreichen. Als Anlaufstellen für Recherchen und kritische Betrachtungen können folgende Webseiten dienen:

7. Ausblick

Der einführende Beitrag rund um Emissionen hat deutlich gemacht, dass Klimaschutz bedeutet, Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Die Kleine Klimaschule folgt den Erkenntnissen des deutlich überwiegenden Teils der Wissenschaft vom menschlich verursachten Klimawandel. Wir wollen dennoch versuchen, im Rahmen der Kleinen Klimaschule keinen Denkansatz zu verbieten und ergebnisoffen an die Fragestellungen der folgenden Beiträge heranzugehen. Als dialogorientiertes Gesprächsangebot sind die Darstellungen, wie bereits eingangs vorausgeschickt, nicht frei von bestimmten Sichtweisen und als Prozess mit fortlaufender Diskussion, Aktualisierung und Ergänzung zu sehen.

Anhänge

Vorträge von Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des PIK Potsdam
https://www.youtube.com/watch?v=MA0xEemAKC4
https://www-docs.b-tu.de/weiterbildung/public/OffeneHochschule/Open_BTU/20191023_OpenBTU_Edenhofer.mp4

Prof. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kommentiert den Beitrag eines sogenannten Klimaskeptikers und zeigt auf, warum die Wissenschaft den menschlich verursachten Klimawandel für erwiesen hält
http://www.pik-potsdam.de/~stefan/alvensleben_kommentar.html:

Fakten zum wissenschaftlichen Konsens zum menschgemachten Klimawandel:
https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-es-gibt-noch-keinen-wissenschaftlichen-konsens-zum-klimawandel

Anmerkungen zur Klimawandel-Diskussion (PDF-Dokument):
Prof. Friedrich-Karl Ewert verneint den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Erderwärmung anhand von Messreihen und erdgeschichtlichen Zusammenhängen

Der Mythos vom wissenschaftlichen Konsens zum menschgemachten Klimawandel
Der dem menschgemachten Klimawandel skeptisch gegenüberstehende Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke verneint den wissenschaftlichen Konsens zum menschlich verursachten Klimawandel:

Gern ergänzen wir weitere Verweise und Anhänge zum Beitrag „Emissionen, Sektoren und Klimaschutz“. Senden Sie uns dazu einfach einen Kommentar.

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Kleine Klimaschule Beitrag 1 (1,1 MiB)

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